Extrovertierte und das Impostor-Syndrom: Geht das zusammen?
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"Was, wenn die alle merken, dass ich doch keine Ahnung habe? Eigentlich kann ich das doch gar nicht."
Solche oder ähnliche Gedanken hatte sicher jede:r schon mal. Treten sie regelmäßig auf, ja werden sie zur Gewohnheit, könnte das an einer Form des Impostor-Syndroms liegen.
Hier handelt es sich um:
"... ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene von massiven Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge geplagt werden und unfähig sind, ihre persönlichen Erfolge zu internalisieren."
Steffi hat in ihrem Artikel im Januar beschrieben, wie Sie als Introvertierte damit umgeht.
Aus rein subjektiver Sicht und anekdotischer Erfahrung kann ich sagen: Die meisten Menschen, mit denen ich auf das Impostor-Syndrom zu sprechen komme, assoziieren es mit introvertierten Menschen. Ihre oft - nicht immer - leisere Art lässt genug Interpretationsspielraum, um Selbstzweifel zu vermuten.
Doch das Impostor-Syndrom gibt es auch bei Extrovertierten. Leider habe ich keine Studien oder Zahlen gefunden, die sich mit dem Auftreten des Impostor-Syndroms bei Extrovertieren befassen. Die meisten Untersuchungen und Artikel fokussieren sich auf Introvertierte.
Wie komme ich also darauf, dass auch Extrovertierte das Impostor-Syndrom erleben? Einerseits durch Gespräche mit extrovertierten Menschen, die ich zu meinem Netzwerk zählen darf. Andererseits durch eigene Erfahrung.
Impostor-Syndrom: (K)ein Thema für Extrovertierte?
Ein konkretes Beispiel: Seit mehreren Jahren darf ich für verschiedene Bildungsträger, unter anderem die LVQ - Social-Media- und Kommunikationsseminare anbieten. Die Bewertung durch die Teilnehmenden sind durchgehend gut. Klar variieren sie - ich habe gute und schlechte Tage, unterschiedlich viel Zeit für die Vorbereitung und so weiter - doch sie bewegen sich immer in einem guten bis sehr guten Rahmen.
Man könnten meinen, ich sei inzwischen daran gewöhnt. Doch das trifft nicht zu. Immer noch bin ich nervös, wenn ich den Briefumschlag oder das Dokument mit den Teilnehmendenbewertungen lese, nach wie vor lese ich vor allem die negativen und kritischen Bewertungen und schaue, was ich besser machen kann.
Klingt noch nicht nach Impostor-Syndrom? Korrekt. Doch es gibt auch Tage - sei es vor Seminaren, vor Vorträgen oder Workshops - an denen mir morgens der Gedanken kommt “Was machst du da eigentlich? Du hast doch keine Ahnung? Was, wenn die merken, dass sie mehr Ahnung haben als ich?”
Das ist Teil des Impostor-Syndroms. Und diese Gedanken kommen mir nicht ständig, aber doch immer wieder - auch bei Dingen, die ich seit Jahren wirklich gut und erfolgreich tue.
Das Entscheidende: Damit bin ich nicht allein, wie ich aus vielen Gesprächen mit anderen Extrovertierten weiß. Und wirklich verwunderlich finde ich das nicht.
Um zu verstehen, warum werfe ich nochmal die mit einer extrovertierten Persönlichkeit assoziierten Eigenschaften ein:
„Extraversion“ zeichnet sich durch eine nach außen gewandte Haltung aus. Extravertierte Charaktere empfinden den Austausch und das Handeln innerhalb sozialer Gruppen als anregend.
Typisch extravertierte Eigenschaften sind gesprächig, bestimmt, aktiv, energisch, dominant, enthusiastisch und abenteuerlustig.
Auch wenn Selbstbewusstsein oft mit Extrovertierten in Verbindung gebracht wird: In der Aufzählung der Eigenschaften findet sich der Begriff nicht.
Impostor-Syndrom macht Extrovertierten mehr zu schaffen als Introvertierten
Okay, die Zwischenüberschrift ist meine These, doch zumindest meine eigene Erfahrung und anekdotische Belege unterstützen sie (was natürlich keine allgemeine Gültigkeit belegt, klar).
Zuerst ein Blick auf Maßnahmen gegen das Impostor-Syndrom, zu denen neben Schreibtherapie und kognitiver Verhaltenstherapie auch Gespräche und Support aus dem sozialen Umfeld gehören. Konkret:
Now, a new study on college students has found that the most effective way to overcome impostor syndrome is to reach out to someone outside of your field, such as a friend or family member, for support, researchers at Brigham Young University found.
Genau diese, im Vergleich zu Therapien, niedrigschwellige Maßnahme setzt jedoch Offenheit und die Bereitschaft, über Selbstzweifel und Probleme zu sprechen, voraus.
Nicht alle, aber doch viele Extrovertierte in meinem Netzwerk tun sich genau damit schwer.
(Reine Spekulation meinerseits: Vielleicht führt das auch dazu, dass sich weniger Studien mit Extrovertierten und Impostor-Syndrom befassen - die Teilnehmenden sind weniger zugänglich.)
Wenn das Sprechen über Probleme und Selbstzweifel als Schwäche gesehen wird, ist der Weg zu einer vergleichsweisen einfachen Maßnahme gegen das Impostor-Syndrom verschlossen.
Extrovertierte mögen sich vielleicht noch nicht einmal selbst eingestehen, dass sie da ein Problem haben - auch wenn es nicht gleich das ausgewachsene Symptom sein muss - und tun die Gedanken so lange sie können als Quatsch ab. Ging zumindest mir so.
Impostor-Syndrom: 7 Tipps für Extrovertierte
Angenommen, Du hast das hier als extrovertierter Mensch gelesen und fühlst Dich angesprochen. Wo fängst Du damit an, an Deinen Ansätzen des Impostor-Syndroms zu arbeiten?
Eine Patentlösung habe ich nicht für Dich, die folgende sieben Tipps funktionieren für mich jedoch gut. Wenn Du ergänzende Tipps hast, teile sie gerne in den Kommentaren oder per Mail oder Direktnachricht, wenn es nicht öffentlich stattfinden soll.
Akzeptiere Deine Selbstzweifel. - Leichter gesagt als getan, ist mir klar. Dennoch ist das der erste wichtige Schritt: Tritt einen Schritt zurück und akzeptiere, dass die Gedanken da sind - egal wie unlogisch und unbegründet sie objektiv sein mögen.
Dokumentiere Deine Selbstzweifel. - Notiere Dir, wann und unter welchen Umständen die Gedanken aufkommen. So findest Du nach und nach die Muster, die sie auslösen und kannst ihnen vorbeugen.
Schreibe Deine Selbstzweifel auf. - Bring die Gedanken zu Papier, mach die Selbstzweifel greifbar. Das lässt sie nicht vergehen, erlaubt es Dir aber vielleicht, sie etwas distanzierter zu betrachten und mit ihnen sachlicher umzugehen.
Diskutiere mit Deinen Selbstzweifeln. - Klingt bescheuert, funktioniert aber. Wenn Du Deine Selbstzweifel notiert hast, notiere Argumente gegen sie. Warum treffen sie nicht zu? Wie kannst Du sie entkräften?
Führe ein Erfolgstagebuch. - Nein, es geht nicht um “Tschagga Du schaffst das “-Bullshit. Es geht lediglich darum, Dir täglich Deine großen und kleinen Erfolge zu notieren und bewusst zu machen. Treten die Selbstzweifel ein kannst Du Dein Erfolgstagebuch hervorholen und nachlesen, dass Du besser bist als Du gerade denkst.
Konfrontiere Deine Selbstzweifel mit der Realität. - Mir geht es meist so, dass gerade die Veranstaltungen, vor denen ich Selbstzweifel habe, besonders gut laufen. Inzwischen ist es für mich Routine, in der Nachbereitung meine notierten Selbstzweifel mit dem realen, positiven Verlauf des Events zu konfrontieren. Jedes Mal wird die innere Abwehr ein wenig stärker.
Sprich mit Menschen über Deine Selbstzweifel. - Nach dem ersten vielleicht der schwerste Tipp auf der Liste. Ja, mit Menschen darüber zu sprechen kann echt Überwindung kosten. Doch wenn Du vertrauenswürdige Menschen hast: Tu es. Du wirst erstaunt sein, wie gut es gut.
Bei allen Tipps gilt: Wenn Du an einer ausgeprägten, behandlungsbedürftigen Form des Impostor-Syndroms leidet, dass nicht nur sporadisch auftritt, sondern Dich in Deinem Leben lähmt und blockiert, solltest Du Dir professionelle Hilfe holen.
Jetzt freue ich mich über Deine Kommentare und Dein Feedback. :)
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Titelbild ©️ HelenKayda via depositphotos.com